Tendenziös oder schwierig? Umgang mit Journalisten
Unabhängig, ausgewogen, so neutral wie möglich, keine Spur tendenziös: Idealerweise haben Journalistinnen und Journalisten immer alle Seiten einer Story im Blick. Im Alltag zeigt sich allerdings, dass das oft nicht der Fall ist. Da taucht der Vorsitzende einer bestimmten Ratsfraktion zu jedem Thema im Blatt auf, auch zu Themen, die gar nicht in seinem Fachbereich liegen. Andere Parteien dagegen können sich so viel Mühe geben, wie sie wollen, und leiden trotzdem unter Missachtung. Ist das in Ordnung?
Nein, und trotzdem passiert es täglich in vielen Redaktionen in Deutschland. Manche Journalistin (oder Journalist) hat einfach ein Faible für diese oder jene politische Farbe. Dafür vernachlässigt sie eine andere. Vielleicht gibt es auch andere, tiefliegendere Gründe für eine Antipathie, vielleicht ist es etwas Persönliches. Die Gründe spielen aber auch keine große Rolle.
Kommunikation mit Lokalzeitung verbessern – auch, wenn es tendenziös wird
Ich werde oft von Mitgliedern politischer Parteien gefragt, was in so einem Fall zu tun ist. Die gute Nachricht: Es gibt Möglichkeiten, die Kommunikation und die Beziehungen zu verbessern, um häufiger in der Lokalzeitung zu erscheinen. Die schlechte Nachricht: Es gibt dafür keinen magischen Trick, keine Silberkugel. In der Regel sind da dicke Bretter zu bohren.
In der Regel empfehle ich einen ganzen Blumenstrauß aus verschiedenen Maßnahmen, die ich hier nach ansteigender Eskalation sortiert anreiße:
Tipps im Umgang mit schwierigen Journalisten:
- Immer freundlich, höflich und zugewandt bleiben
- Auf die (wenigen) Kommunikationsversuche, die es vielleicht noch gibt, betont positiv reagieren
- Keinen Journalisten von der Kommunikation ausschließen (das wäre auch rechtlich gar nicht zulässig)
- Herausfinden, für welche Themen sich die betreffende Journalistin interessiert und diese Themen anbieten, wenn der Arbeitsaufwand vertretbar ist
- Kein Journalist will sich vorwerfen lassen, tendenziös zu sein. Daher empfiehlt es sich, bei stärkeren Konflikten, Missachtung oder tendenziöser Berichterstattung die einzelnen Fälle mit Datum zu protokollieren (knapp). Damit hat man etwas in der Hand, im Gespräch mit Lokalchefs oder Chefredakteurinnen. Dazu gehört auch eine etwaigere ausgewogenere Berichterstattung der Konkurrenz. Ein Gefühl hilft da nicht, es müssen belegbare Zahlen her, etwa: „Von Januar bis Juni 2020 ist die Fraktion XYZ genau 60 Mal erwähnt worden, die Fraktion ABC aber nur zwei Mal. Wie erklären Sie sich das?“
Immer im Gespräch bleiben, erst recht, wenn die Haltung tendenziös ist
- Gespräch suchen: Laden Sie sich zum Redaktionsbesuch ein. Bringen Sie zwei, drei Ideen für Themen mit – und wenn es die Kasse erlaubt, ein paar belegte Brötchen oder Kuchen vom Bäcker. Das hat mit Bestechung nichts zu tun, derlei Dinge gibt es auf vielen Presseterminen, sind also üblich und deutlich unter der Grenze für Beträge, die als Bestechung gelten. Schildern Sie offen, wie Sie sich fühlen: enttäuscht, missachtet, vernachlässigt. Gehen Sie mit den Zahlen, die Sie ermittelt haben (siehe obiger Punkt) in das Gespräch, fragen Sie mit echtem Interesse nach den Gründen. Bleiben Sie freundlich und höflich, eine Verschärfung des Konfliktes bringt niemandem etwas.
- Nehmen Sie das Ganze nicht persönlich! Wenn Sie beide nicht die Positionen hätten, die Sie haben, gäbe es den Konflikt gar nicht. Bleiben sie ruhig, auch, wenn der Journalist unfreundlich wird. Eskaliert das Gespräch, verlassen Sie die Situation, bitten Sie vielleicht eine Kollegin (oder einen Kollegen) des betroffenen Journalisten, zu vermitteln.
Zeit nehmen
- Nehmen Sie sich Zeit für so einen Termin und vereinbaren Sie diesen ausdrücklich für ein klärendes Gespräch. Sprechen Sie die Journalistin nicht zwischen Tür und Angel oder am Rande eines Termins an. Zwar herrscht in beiden Fällen Zeitdruck, aber im ersten Fall ist wenigstens ein bisschen Zeit für Sie und Ihr Anliegen reserviert.
- Fruchtet das direkte Gespräch nichts, suchen Sie ein ähnliches, klärendes Gespräch mit der Lokalchefin.
- Fruchtet auch das nichts, können Sie um einen Termin beim Chefredakteur des gesamten Blattes bitten. Das wird in den seltensten Fällen abgelehnt, schließlich will sich keine Journalistin vorwerfen lassen, tendenziös zu sein. Nehmen Sie sich auch für dieses Gespräch Zeit, gehen Sie vielleicht zu zweit, aber auf keinen Fall mit mehr als drei Personen. Das baut zu viel Druck auf und bringt zu viele Teilnehmer ins Gespräch, die alle etwas sagen wollen.
- Sollte auch das nicht verfangen, bauen Sie eine Gegenöffentlichkeit auf. Publizieren Sie eigene Texte, Videos usw., in den sozialen Medien und auf Ihrer eigenen Website, möglichst suchmaschinenoptimiert. Beziehen Sie Stellung zu den Veröffentlichungen der Tageszeitung, bleiben Sie dabei aber so höflich, korrekt und so neutral, wie Sie sich das eigentlich von der Zeitung wünschen. Schließlich liest der Wähler mit, und der Wähler will Problemlöser im Rat haben, keine Streithähne, die ihre Zeit mit Zwisten vergeuden, für die die Wählerin kein Verständnis hat. (Zurecht, wenn Sie meine persönliche Meinung lesen wollen.)
Das alles klingt nach viel Arbeit, und das ist es auch, vor allem, wenn man sich persönlich angegriffen fühlt. Unter Umständen vielleicht bereits seit Jahren. Und das alles ist auch kein Garant für Erfolg. Gehen Sie es trotzdem an. Denn es kann eigentlich nur besser werden. Gehen Sie Schritt für Schritt vor und verbessern Sie die Beziehung so freundlich wie möglich. Das heißt nicht, dass Sie sich ausnutzen lassen sollen. Sie müssen auch Grenzen ziehen, etwa, wenn Sie beleidigt werden. Aber heizen Sie den Konflikt nicht noch selbst an, das führt letztendlich nur zu noch mehr Streit.
Viel Feind‘, viel Ehr‘.
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