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„Die Digitalisierung hat viele Journalisten persönlich gekränkt“

Kann das Ruhrgebiet Digitalisierung oder muss ich dafür nach Berlin?

Ich würde ja gerne nach Berlin, aber vor lauter coolen Digitalisierungsterminen komme ich hier nicht weg. Allein in diesem Herbst gibt es mit dem RuhrSummit in Bochum und der Digitalen Woche Dortmund zwei große Veranstaltungen, die den Fokus auf digitales Business legen. Ganzjährig haben wir in jeder Woche kleine Meet-ups und Stammtische, die sich mit digitaler Kommunikation oder digitalen Tools beschäftigen.

Außerdem: Weil es hier mit Old Work schon länger nicht mehr so gut läuft, beschäftigen sich Unternehmen und Institutionen ausgiebig mit New Work und agilen Konzepten. Moderne Arbeitskulturen sind eine notwendige Voraussetzung für die erfolgreiche Digitalisierung von Prozessen und Geschäftsmodellen. Ja, viele Firmen hinken noch hinterher, aber wenn man sich zum Beispiel die Weiterbildungsangebote der Ruhr-IHKn anschaut, dann muss man konstatieren: Das Revier weiß, wo Barthel die Bits holt.

Was kann Digitalisierung für kleine und mittlere Unternehmen bedeuten?

Digitalisierung kann Produktions-, Entscheidungs- und Kommunikationsprozesse von KMU erleichtern und beschleunigen. Wir alle nutzen diese Vorteile bereits im Einkauf (Preisvergleich und Transparenz), bei der Wettbewerbsbeobachtung (googeln) oder der Weiterbildung (Youtube, video2brain, Udemy). Digitale Plattformen erlauben auch kleinsten Unternehmen, Aufgaben an Dienstleister in aller Welt auszulagern und dadurch Kosten zu senken.

Wer diese Möglichkeiten nicht nutzt, wird im Umkehrschluss aber auch als Opfer der Digitalisierung auf der Strecke bleiben, weil er von seinen digital-affinen Marktbegleitern abgehängt wird.

Der Fachkräftemangel wird in vielen Branchen und vor allem in ländlichen Gebieten beklagt – welchen Einfluss haben Unternehmen hier mit den Mitteln der Digitalisierung?

Hidden Champions waren per Definition schon immer in abgelegenen Landstrichen angesiedelt – und trotzdem erfolgreich. Mit gutem Management konnte man auch früher viel erreichen. Digitale Kommunikationsformen können die Situation zusätzlich verbessern: Fachkräfte kommen aufs Land, genießen die Ruhe und die Lebensqualität und werden trotzdem nicht vom modernen Leben abgeschnitten. Über Social Media können sie regen Kontakt mit Freunden und Angehörigen halten. Was auch immer sie kaufen möchten, bestellen sie online. In Zeiten von Luftverschmutzung und hohen Mieten in den Städten wird die Provinz zur digital angebundenen, lebenswerten Alternative.

Was sind die drei größten Fehler, die kleine und mittlere Unternehmen der Region im Onlinemarketing machen?

1) Sich auf ehemals erfolgreichen Strategien ausruhen: Viele Unternehmer, die die Digitalisierung gerade verschlafen, waren in den fetten Jahren des vergangenen Jahrhunderts erfolgreich – und dieser Erfolg scheint ihnen Recht zu geben. Doch die Märkte haben sich gewandelt, im Handel zum Beispiel von Verkäufer- zu Käufermärkten. Wer weitermacht wie bisher, ist – je nach Branche – in zwei oder fünf Jahren nicht mehr da.

2) Private Verhaltensweisen aufs Geschäft übertragen: Wer die Social Media nicht in seiner Freizeit nutzt, hat häufig Probleme, sie für die Unternehmenskommunikation einzusetzen. Facebook muss nicht mein Freund sein, mein Geschäftspartner möglicherweise schon. Das gilt für andere Innovationen gleichermaßen. Ich brauche mein Haus nicht zwangsläufig „smart“ zu digitalisieren, meine Fabrik aber ganz bestimmt.

3) Die Fortbildungsangebote von Kammern, Verbänden und der öffentlichen Hand ignorieren: Dort hat man die Zeichen der Zeit überraschenderweise erkannt und bietet Workshops, Talks und Seminare zu allen erdenklichen Digitalisierungsthemen. Wer schon immer über Steuern und Zwangsbeiträge geklagt hat, sollte sich dafür jetzt Expertenrat und Fachwissen holen.

Was können Journalisten im Umgang mit der Digitalisierung dazu lernen?

Die Digitalisierung der Medienbranche nach der Jahrtausendwende hat viele Journalisten geradezu persönlich gekränkt. Die wichtige Gatekeeper-Funktion, die Herrschaft über Informationen und Geschichten wurde ihnen ein für alle Mal genommen und damit auch mancher Arbeitsplatz. In der Folge haben sich viele Journalisten vom Internet abgewandt. Das ist tragisch, denn ausgerechnet journalistische Kenntnisse, Methoden und Haltung braucht das Netz zur Qualitätssicherung mehr als alles andere. Wer soll denn in die Foren, Blogs und Social-Media-Threads reinschreiben, wenn nicht die, die dieses Handwerk meisterhaft beherrschen? Die Publizistik ist durch die Digitalisierung nicht neu erfunden worden, lediglich die Werkzeuge und manche Usancen haben sich geändert. Journalisten, die neue Recherche- und Kommunikations-Tools nutzen lernen oder auch bereit sind, berufsethisch saubere PR zu machen, können von der Digitalisierung nicht nur wirtschaftlich profitieren, sondern sogar ihre Ausgestaltung positiv beeinflussen.

Zur Person

Michael Stein ist Inhaber der Agentur Bambule Webdesign in Essen, eine Agentur für digitale Unternehmenskommunikation. Schwerpunkt seiner Arbeiten sind Webdesign mit WordPress und Social-Media-Marketing sowie Beratung. Er ist organisiert in der Allianz deutscher Designer (AGD) e.V und der Genossenschaft visibleRuhr eG.

 

 

 

 

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